Redlin, Richard - Potsdam
   
 

Franz Beck schreibt in der Zinnfigur 4/5 1941:

 

   Am 6. Januar 1941 schloß mit 39 Jahren ein mit großen Talenten begabter Graveur Richard Redlin aus Potsdam unerwartet seine Augen. In unserer Zeitschrift wurde er zum ersten Male mit Namen genannt, als die Serie frontal kämpfender Oesterreister [Österreicher] Maria Theresias vorgestellt wurden. In aller Stille hat er in rastloser Arbeit und Streben nach Vervollkommnung über die Gipsform sich zu dieser Leistung durchgerungen.  

Als Sohn des Kirchendieners an der Heilig-Geist-Kirche lernte er schon als Knabe zusammen mit dem Pastors Sohne Englisch und später, da das Lernen ihm Freude bereitete, die Anfänge von Latein, Spanisch und Französisch. In seinen Wanderjahren, als Maschinensetzer, besah er sich mit offenen Augen die Landschaften, aber nicht minder die Menschen und Verhältnisse. Mit der Zinnfigur kam er 1931 erstmalig in Berührung. Seine erste Gipsform war der nach einem Gemälde hergestellte Leibgardehusaren-Pauker Sambo, allerdings schon selbst graviert, nachdem er sich zuvor Gipsformen angefertigt hatte, diese änderte und schließlich Zeichnungen mit Hilfe des Storchschnabels verkleinerte. Er schuf schon damals Ritter des 14. Jahrhunderts, Fanfarenbläser und Pauker mit Pferdeschabracken, die sehr gut ausfielen. Der übergang vom Gips zum Schiefer machte große Schwierigkeiten, bis er mit Hilfe seiner Freunde das rechte Material erhielt. Da er alles aus sich selbst heraus schuf, niemand ihm eine Anleitung gab, war eine Unmenge von Schwierigkeiten zu überwinden. Schließlich fand sich auch hier ein Idealist, der ihm die kleinen Tricks verriet. Nun ging es schnell vorwärts.

   Für mich gravierte er nach eigenen Zeichnungen eine Serie Bresche schlagender Zimmerleute um 1760 im Jahre 1937, die schon ein recht beachtliches Können aufzeigten.

   Sein Wissensdrang ließ ihn nicht rasten, begabt mit einem glänzenden Gedächtnis, vertieft durch seine Sprachstudien, wandte er sich schon lange vor dieser Zeit den Azteken zu. Diese brachten mich auch mit ihm in Verbindung. Er hat in sorgfältigstem Studium über dieses Volk seine Geschichte, seine Kunst, sein Leben und Kämpfen eine von den allgemeinen Kenntnissen stark abweichende Darstellung gebracht, die bis ins kleinste auch wissenschaftlich belegt werden konnte. Sein Wunsch und Wille war es, diese Welt in Zinn neu erstehen zu lassen. An 500 Zeichnungen lagen bereit, von seiner unermüdlichen geschickten Hand auf Schiefer übertragen zu werden, als ihm der Griffel so jäh aus der Hand gerissen wurde. Es waren in der Hauptsache Darstellungen des friedlichen Lebens, die dann zu kleinen Dioramen zusammengestellt werden sollten.

   Nun noch von seinem Schaffen. Oft wurden in letzter Zeit in den Besprechungen neuer Zinnfiguren Vermutungen über den "unbekannten" Graveur ausgesprochen. Abgesehen von kleinen Mängeln, die in der Zeichnung begründet waren, fiel die Kritik stets besser aus. Nachdem Altmeister Hans Fritsch mit Richard Redlin in regem Gedankenaustausch stand und die feine Kunst der Zeichnungen von ihm auf Schiefer übertragen wurde, steigerte sich seine Leistung zusehends. So schuf er für sich selbst 32 Figuren der Riesengarde, für andere Sammler Reiter aus Deutsch-Südwest, 20-Millimeter-Infanterie um 1910 und noch viele andere Typen. Jede freie Minute war ihm kostbar, um weiterzukommen, unermüdlich tätig verlangte er danach, auch selbst seine Zeichnungen zu entwerfen. Auch hier liegen mir schon sehr gute Proben vor. Was hätte dieser Mann uns Sammlern noch alles schaffen können! Als feinfühliger Mensch, durch schlechte Erfahrungen mißtrauisch gemacht, war er nur schwer zu bewegen, seine Arbeiten der Oeffentlichkeit zu zeigen bzw. mit Gleichgesinnten in Gedankenaustausch zu treten. Wem er aber seine Freundschaft schenkte, der konnte keine bessere gewinnen! Alle, die ihn kennen lernten, werden den bescheidenen, aber so begabten liebenswerten Menschen nie vergessen.

   Kassel, im März 1941

   
   
 

Karl Manuory schreibt in Der Standhafte Zinnsoldat - Nachrichten für Liebhaber der Zinnfigur, 14. Jahrgang 1941:

 

   Das Wirken des Graveurs Redlin zerfällt in 4 Abschnitte:

1. Gravuren in Gips nach Abbildungen in Zeitschriften und dgl., die er mit dem Storchschnabel verkleinerte,

2. Gravuren in dünnem Schiefer, die Formen noch sehr primitiv, die Figuren meist Kopien, die er für sich selbst

     herstellte, auch Figuren, die er durch andere Rüstungsstücke in eine andere Zeit versetzte,

3. Gravuren in richtigen Formen nach Zeichnungen von Fritsch und Dr. Thies,

4. Gravuren nach eigenen Zeichnungen.

   Zu 1. Die erste Figur war wohl der Paukenschläger Sambo der Leib-Garde-Husaren, von dem er bald darauf noch eine verbesserte Ausführung herstellte. Es folgte der Paukenschläger des Regimentes Gardes du Corps, der erste und der letzte Hohenzoller, beide Reiterfiguren. Bald begann er ganze Serien: Friedrich Wilhelm I. und die Riesengarde, es sind 7 Figuren, der König halbfrontal, 2 Offiziere, Trommler und Pfeifer sowie 22 Grenadiere. Die gleiche Serie schuf er später nochmals in besserer Ausführung. Die Nibelungen umfassen mindestens 15 Figuren: Siegfried mit Kriemhild auf der Gartenbank, Siegfried prüft das geschmiedete Schwert, Siegfried vom Speer durchbohrt, Brunhild weist Kriemhild fort, Siegfried zu Pferde haltend, dazu 5 Ritter, 3 Krieger zu Fuß mit Speer, Schwert und Streitaxt, frontal. Ganz eigenartig sind Krieger im Wasser stehend, den Schild waagerecht haltend, so daß eine Brücke entsteht. Diese Form war dreiteilig. Alle Figuren waren nach dem Film selbst gezeichnet. Es folgten dann zahlreiche Reiterfiguren: Kaiser Marx Aurel, Dolleoni, Gatta Melatta, Cangrande in Anlehnung an die bekannte Reiterstatue, aber mit Lanze und aufgesetztem Helm, die Jungfrau von Orleans mit Banner, Richard Löwenherz, König Heinrich VII. von England, Frundsberg zu Pferde im Gebet vor der Schlacht, Wilhelm v. Nassau u. v. a. m.

   Eine besonders prächtige Serie stellt die Musterung einer Ritterkompanie in Frankreich um 1400 dar. Alle Pferde haben große Pferdeschabracken. Vorhanden sind: König frontal haltend mit Gefolge, Heroldstrompeter und Paukenschläger seitlich, diese beiden sind wegen des reichen Faltenwurfes der Schabracken besonders schön, ein Ritter mit Schwert und Schild, Schritt, grüßend, 3 Ritter dazu mit Lanzen, 3 Pferde mit Schabracken, haltend scheuend, geführt.

   Einige Einzelfiguren stellen dar: Cäsar sitzend, Vercingetorix, abgesessen, Pferd hinter ihm, Waffen niedergelegt, Friedrich der Große mit der Fahne in der Hand, ein Pferd mit einem erlegten Hirsch auf dem Rücken.

   Von jeder Figur sind nur einige Abgüsse vorhanden, die Formen wurden vernichtet.

   Zu 2. Den größten Raum nehmen in diesem Zeitabschnitt etwa 100 Azteken ein, meist Kopien älterer Figuren, dabei einige große Gruppen und eine plastische Königsbarke, die aus Zinnteilen zusammengesetzt werden kann. Es ist nicht möglich, alle Figuren einzeln zu bezeichnen.

   Ferner gehören in diese Zeit einige Kreuzritter, einer im Gebet, im Marsch, zu Fuß ein müdes Pferd nachziehend, ein Ritter haltend um 1400, 6 zu Fuß im Angriff und ca. 12 Ordensritter zu Fuß ohne Pferde.

   Diese Formen sind alle erhalten.

   Zu 3. Die erste Serie dieser Zeit waren Pistolenreiter um 1590 für den 8. Hugenottenkrieg, frontal im Angriff, Heinrich IV. von Frankreich und 7 Reiter, Zeichnungen von Fritsch. Diese Zeit um 1600 gravierte er besonders gern, ich erwähne darum die Figuren dieses Geschichtsabschnittes im Zusammenhang, obwohl andere Serien dazwischen kamen. Eine weitere Serie stellt ein Lager Heinrich IV. dar, ist aber unvollständig. Die Zeichnungen sind von Fritsch und Dr. Thies. Vorhanden sind Heinrich und 2 Edelleute abgesessen, dazu die Pferde, Pistolenreiter haltend und ausspähend, bemerkenswert sind einige aufsitzende Reiter, denen andere dabei helfen. Das sind wohl 10 Reiter, 5 Fußfiguren, 3 Pferde.

   Eine andere Serie von 8 Reitern behandelt den Kampf um eine Standarte, alle Reiter im Galopp fliehend bzw. verfolgend. Weitere sollten die Aufstellung einer bestimmten Schlacht ermöglichen. So folgten Pistolenreiter im Angriff gegen Pikeniere. Es sind 6 Reiter, deren Pferde sich vor den Piken aufbäumen, sehr lebendig, einige gehören zu den besten Gravuren, die er geschaffen hat. Die dazu als Gegner gehörigen Pikeniere gravierte er für eine Firma in Kiel. Später folgten 4 Pistolenreiter anreitend, und zwar die Pistole ziehend, ladend usw.

   Eine kleine Serie besteht aus französischen, schweren Lanzenreitern, es sind Offizier, gestürzte 4 Reiter, 4 nach Zeichnungen von Fritsch, 2 von Dr. Thies. Die beiden letzten Reiter sind nicht ganz fertig geworden, da Redlin vorher starb, die Formen werden sich aber wohl brauchbar machen lassen.

 

Ein Heinrich IV. zu Pferd im Schritt eröffnete eine Serie von Fußfiguren, die aber nicht mehr fertigt wurden.

   Zwischen diesen Serien lagen nun zahlreiche andere. Für sich selbst schuf er eine Serie von 35 Fußfiguren Friedrich Wilhelm I. und der Riesengarde. Es sind der König zu Fuß, dazu einige Offiziere des Gefolges, Rekruten noch in Zivil, Pferdehalter, Grenadiere in Front, Parademarsch, beim Exerzieren, dazu die erforderlichen Offiziere, Unteroffiziere, Spielleute. Besonders wirkungsvoll sind die Front- und Paradetypen. Zeichnungen von Fritsch.

   Eine große Serie für einen anderen Sammler behandelte die Schlacht bei Hohenfriedberg. Es sind zahlreiche frontale Reiter- und Infanteriefiguren kämpfend. Genauere Angaben darüber kann nur der Besitzer selbst machen.

   Für eine Firma in Kiel gravierte er einen Teil der Figuren des 30jährigen Krieges, meist Reiter, aber auch Fußfiguren.

   Für einen Sammler gravierte er zuletzt Figuren in der sogen. Mittmanngröße, Lager der Freiheitskriege, Paradefiguren und andere. Eine größere Serie für den 30jährigen Krieg hatte er erst angefangen.

   Nachdem vor einiger Zeit angeregt worden war, Bergsteigerfiguren zu schaffen, gab Prof. Rösner solche bei Redlin in Auftrag. Es sind Figuren der Zeit Friedrichs des Großen.

   Außerdem gravierte er zahlreiche Einzelfiguren für verschiedene Sammler, Aufsitzer, Jagdhunde, Friedrich Wilhelm I. im Krankenstuhl, Studenten in Wichs, Towarczys zu Fuß und zu Pferde, Jäger in Paradeuniform der Vorkriegszeit, den "grünen Reiter" als Erinnerungsfigur für eine Feier in Dresden u. a.

   Der letzte Abschnitt seines Wirkens ist in den Anfängen stecken geblieben. Es gehören dahin ein Pistolenreiter mit dem Pferd in die Spieße springend, von Redlin selbst gezeichnet, eine sehr lebendige Figur, eine seiner besten Gravuren. Die anderen selbst gezeichneten Figuren sind Zimmerleute aus der Zeit Friedrichs des Großen im Dorfgefecht.

   Dieser - unvollständige  - Überblick zeigt, daß es sehr viele Figuren gibt, die auch den Typensammlern noch garnicht einmal bekannt sind. Ein großer Teil davon wird ja wohl nach dem Kriege in den Handel kommen.

   Manoury. 

   
   
  Sigel:            
   
 

Gravuren für:

Beck, Franz

Fechner, Werner

Händel, Walter

Manoury, Karl

Neckel, Friedrich Carl

Ochel, Aloys

Pahle, Heinrich

Ritter, Joachim

Rössner, Prof. Georg Walter

Schirmer, Friedrich

Scholtz, Werner

   
 

Quellen:

Die Zinnfigur

Der Standhafte Zinnsoldat - Nachrichten für Liebhaber der Zinnfigur, Joachim Ritter, Markkleeberg b. Leipzig - 14. Jahrgang 1941

Heinz Schenzle: Sigel-Bestimmungsbuch, Freunde der Plassenburg e. V. Kulmbach 1987

Zinnfigurenfreunde Koblenz e.V. - Sammlerbrief Ausgabe 2006

 

   
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