Weygang, Victor - Göttingen
Anregung zur Gründung eines deutschen Zinngießer-Verbandes
   
1894    Anzeige in der Deutschen Zinngießer-Zeitung Nr. 2/1894
   
     Patent Nr. 70116 für eine Aufgußplatte zur Verbindung von Krugdeckel mit Scharnierstück, gültig ab 31. Januar 1893
   
   
   
  Veröffentlichung in der Deutschen Zinngießer-Zeitung Nr. 8 vom 22.2.1894 und Nr. 9 vom 1.3.1894 (Abschrift):
   
  Anregung zur Gründung eines deutschen Zinngießer-Verbandes.
       Es ist eine nicht zu verkennende Thatsache, daß das 19. Jahrhundert in der Geschichte der Zinngießerei, das Jahrhundert des Rückganges geworden ist.
     Viele Städte unseres Vaterlandes, welche vor siebenzig Jahren halbsoviel Einwohner hatten als heute, haben zur Zeit bei verdoppelter Einwohnerzahl, halbsoviel Zinngießer als damals, und diese können sich nur durch den Nebenhandel außerfachlicher Artikel auf der Oberfläche der Concurrenz erhalten. Ja, es giebt Städte von 10 bis 20 Tausend Einwohner, in denen schon seit Jahrzehnten keine Zinngießerei mehr zu finden ist.
     Die Hauptursache des Rückganges ist in erster Linie, wie bekannt, die billige Herstellung des leichter zu reinigenden Porzellans, wodurch das Zinngeschirr vollständig verdrängt ist. Zweitens aber außer vielen Anderen die fabrikmäßige Herstellung der Brittania-Löffel mit Stahleinlage welche namentlich den kleineren Zinngießern den Garaus gemacht hat.
     Wenn auch heute am Schluße dieses Jahrhunderts durch die Krug- und Seidelindustrie, manche im Eingehen begriffene Zinngießerei zu neuem Leben erwacht zu sein scheint, so wäre es doch töricht wollten wir den sich aufs neue zeigenden Gefahren die Augen verschließen und tatlos einen im Entstehen begriffenen Concurrenten heranwachsen sehen.
     Und daß tatsächlich solche sich zeigen, beweisen die neuerdings auftauchenden Neusilber-Deckel mit Verschraubung, Horn- und Celloloiddeckel und dergl. m.
     Wenngleich solche Neuerungen durch ihr Nichtbewähren keinen langen Bestand haben, schädigen sie in geringem oder stärkerem Maße dennoch den Zinngießer, da der Käufer gewöhnlich alles was Deckelschoppen heißt über einen Kamm scheert und dieselben, wenn sie sich nicht bewähren, für immer abschafft.
     Eine zweite Gefahr muß der verehrte College erkennen, wenn er in Nr. 2 d. Ztg. die Annonce des Herrn Wild ließt. In derselben heißt es wörtlich: Angußformen, unentbehrlich für Zinngießer und Glaser. Die Zinngießer lassen sich also nicht allein von allen möglichen Handwerkern ins Geschäft pfuschen, sondern sie empfehlen ihnen noch in ihrer Fachzeitung Bezugsquellen für gute Formen.
     Nach solchen Thatsachen liegt es klar, daß für die Zinngießerei Deutschlands zur Aufbesserung ihrer Lage etwas geschehen muß. Und was wäre da besser, als die Organisation eines großen deutschen Zinngießerbundes?
     Daß eine solche Vereinigung vorteilbringend für jeden Einzelnen ist, beweisen die langjährigen zahlreichen Vereinigungen anderer Gewerbe wie z. B. der Schmiede und Schlosser, der Kupferschmiede, der Friseure, Wirte u. s. w.
     Wie aber ist ein solcher Verband in's Leben zu rufen?
     Das ist eine Frage die uns am Besten die Herren Kollegen einer Großstadt in welcher mehrere Zinngießereien oder womöglich gar eine Innung besteht, beantworten können.
     Und wenn sich solche hochherzig dieser Aufgabe widmen, dann dürfen sie versichert sein, daß ihre Bemühungen von Erfolg gekrönt und viele Kollegen zu großem Dank verpflichtet sein werden.
                                                                                                                                                       Victor Weygang.

     Anmerkung der Redaktion. Alle Zinngießer, welche sich für den Verband interessiren, wollen Ihre Meinung unter "Verband" an die "Deutsche Zinngießer-Zeitung" einsenden. Artikel sind sehr erwünscht und finden kostenlose Aufnahme.
   
Veröffentlichung in der Deutschen Zinngießer-Zeitung Nr. 11 vom 15.3.1894 (Abschrift):
   
  Zur Gründung eines Zinngießer-Verbandes.
    
Auf die Anregung des Herrn Victor Weygang in Nr. 8 dieser Zeitung, zur Gründung eines Verbandes der deutschen Zinngießer, haben sich sehr viele Herrn gemeldet, die etwas über die Angelegenheit schreiben und an die Expedition dsr. Zeitung einsenden wollten. Es scheint aber doch, als wenn das große Interesse, welches sich nach der betr. Anregung gezeigt, jetzt schon wieder eingeschlafen wäre. Leider ist dieses, wie ein College schreibt, wohl auch die Wahrheit, wenn er sagt: die deutschen Zinngießer werden nie einen Verband zustande bringen!
     Ein anderer schreibt uns: obwohl mir der Schreiber des Artikels, Herr V. W. unbekannt, so bringe ich demselben doch meine volle Sympathie entgegen. Ich bin zwar der Ansicht, daß sich durch die in Frage stehende Gründung gar nichts bessert, zumal bei der grenzenlosen Gewerbefreiheit, wo Jeder einfach thut, was er will; hat der eine Charakter genug, sein Geschäft ehrlich und reell zu treiben, so scheut der andere dagegen kein Mittel, um ihm gleich zu kommen oder über zu sein und das bezweckt er am besten durch Schleuderpreise; wer will ihm das aber verwehren? er hat sogar noch das kaufende Publikum auf seiner Seite. Wenn der eine bemüht ist, seine Standesinteressen zu wahren, so gibt sie der andere um so schnöder Preiß. Dieses sieht man ja auch in anderen Geschäften gerade so, trotz Verband und Innungen.
   
   
  Veröffentlichung in der Deutschen Zinngießer-Zeitung Nr. 12 vom 22.3.1894 (Abschrift):
   
  Zur Gründung eines Zinngießer-Verbandes.
       Die Befürchtung eines werthen Herrn Einsenders in Nr. 11 d. Ztg., ein Zinngießer-Verband würde niemals zu Stande kommen, veranlaßt mich in dieser Angelegenheit noch einmal die Feder zu ergreifen.
     Nicht collegialisch handelnde Handwerker hat es früher und wird es jederzeit geben, trotz Innung und Verbänden. Wohl aber sind solche Vereinigungen in der Lange, unrechtlich handelnde Collegen einen Damm entgegenzustellen.
     Z. Beispiel: Als im Jahre 1889 die Kohlenpreise stiegen, machte eine Schmiede- und Schlosser-Gilde, zu welchem nach altem Gesetze auch die Zinngießer gehörten, bekannt, daß die Mitglieder derselben infolge der Preiserhöhung einen Aufschlag von 2 pCt. auf sämmtliche Arbeiten zu legen gezwungen seien. Heimlich hatte jedoch ein Mitglied dieser Gilde seine Arbeiten zu dem alten Preise angeboten. Die Folge war, daß derselbe unter Androhung des Ausschlusses von der Gilde in eine empfindliche Geldstrafe genommen wurde.
     Wenn auch einem Verbande so weit gehende Rechte nicht zur Verfügung stehen, wenn derselbe auch nicht berechtigt sein wird gegen nicht collegialisch handelnde Verbandsmitglieder in gleicher Weise vorzugehen, so wird es doch gelingen, durch ein Organ (wie diese Zeitung) dieselben bloszustellen, zur Warnung anderer und zum Schutze aller.
     Ferner wird es einem Verbandsvorstande möglich sein, seine Mitglieder gegen Schwindelfirmen zu schützen und auf fallirte Häuser aufmerksam zu machen.
     In vielen Handwerkerverbänden sind Unterstützungs-, Sterbe- u. dergl. Kassen mit Erfolg eingeführt, vielleicht würde ein Gleiches auch uns gelingen.
     Bei Erlaß fühlbar in unserGewerbe eingreifender Gesetze, oder ähnlichen Gelegenheiten welche die Interessen der Zinngießer zu benachtheiligen geeignet sind, wird ein Einzelner wie ein ohnmächtiges Kind sein, wenn nicht der ganze Verband hinter ihm steht.
     Dieses sind nur drei von vielen Punkten, welche die Notwendigkeitsfrage sicher bestätigen.
     Und nun noch eines. Es ist selbstverständlich, daß die Verbandsmitglieder zum persönlichen Austausch ihrer Ansichten nach bestimmten Zeitabschnitten sich zu einem Verbandstage vereinigen, dessen Tagesordnung vorher durch die Fachzeitung bekannt gemacht werden muß. Mit diesem Verbandstage könnte gleichzeitig eine kleine Ausstellung von Zinngießerwerkzeugen, seitens der betreffenden Fabrikanten veranstaltet werden.
     Da die Zinngießer so sehr vereinzelt wohnen und ihnen daher Neuerungen der Werkzeuge und Formen nur durch die Presse oder im günstigeren Falle durch Zusendung oft unvollkommener Zeichnungen bekannt werden, kann es nur von Nutzen sowohl für Aussteller als Käufer sein, wenn Letzterer sich persönlich von der Zweckmäßigkeit der Verbesserung überzeugen kann.
     Also meine verehrten Herren Collegen in Nr. 11 d. Ztg., lassen Sie uns nicht verzagten Mutes die Flinte ins Korn werfen. Helfen Sie mit mir dieses Werk zu vollenden und wir werden der Wohltaten, die wir uns versprechen, gewiß sein.
                                                                                                                                       V. Weygang. 
   
   
  Veröffentlichung in der Deutschen Zinngießer-Zeitung Nr. 15 vom 12.4.1894 (Abschrift):
   
  Zinngießer-Verband.
        "Und alles bleibt stumm nachwie zuvor." Diese Dichterworte kamen mir unwillkürlich in's Gedächtnis als ich mich vom Inhalt der Nr. 13 d. Z. unterrichtet hatte. Zugleich aber ersah ich aus diesem Schweigen, daß meine Ansicht wohl einwandfrei sein müsse.
     Es will mir scheinen, als ob wohl Neigung, aber keine Unternehmungslust für einen Zinngießerbund vorhanden.
     Sollte es denn den Herrn Kollegen von München, Nürnberg, Dresden, Frankfurt a. M., Hamburg, Berlin oder einer andern Großstadt, so unmöglich sein, durch diese Zeitung, deren Redaktion gewiß gern eine Anmeldestelle zur Beteiligung übernehmen würde, die Zinngießer Deutschlands zu einem ersten Verbands- und Gründungstage einzuladen? Selbstverständlich würde ein Ort in der Mitte Deutschlands der passendste sein.
     Schon aus den Anmeldungen ist zu ersehen, ob ein Zustandekommen möglich ist oder nicht.
                                                                                                                                      Victor Weygang.
   
  Damit war das Thema zu Ende!
   
   
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