Patzsch, Paul Bernhard - Dresden | |
1874 | Paul
Bernhard Patzsch wird am 26. Juni 1874 als Sohn des
Magazinarbeiters Louis Bernhard Patzsch (* 1838; †
25. Juni 1918) und dessen Ehefrau Ida Franziska Patzsch,
geb. Richter (* 1846; † 31. August 1926) in
Dresden geboren. Bis 1899 wohnt er bei seinen Eltern in der Hechtstraße 61 im 2. Stock des Hinterhauses. Er arbeitet als Dachdecker. |
1899 | Er heiratet am 4. Oktober 1899 das Hausmädchen
Marie Luise Hempel (* 10. Oktober 1876 in Dresden),
Tochter des Steinmetz Ernst Emil Hempel (* 14.
September 1853; † 15. Februar 1885) und dessen Ehefrau
Marie Antonie Hempel, geb. Beuchel (* 1. Mai
1855; † ?), mit der er seit 17. Oktober 1875 verheiratet ist. Das Ehepaar hat die Söhne: Richard Bernhard Patzsch (* 20. Oktober 1901; † 30. September 1980) und Paul Erhard Patzsch (* 28. März 1905; † 12. Januar 1906). |
1900 | Paul Patzsch ist mit seiner Frau in die Niederwaldstraße 12/III in Striesen umgezogen. |
1901 | Neue Anschrift ist die Schulgutstraße 5/IV in
der Pirnaischen Vorstadt. |
1908 | Paul Patzsch beginnt mit der Herstellung und dem Verkauf von plastischen, zur Größe der Zinnfiguren passenden Geschützen und Wagen. |
1920 | Er beliefert hauptsächlich die Spielwaren- und
Zinnfigurenhandlung Karl Richard
Zeumer in Dresden. Seine Frau hilft ihm bei den Gießarbeiten. |
1925 | Es erfolgt ein Wohnungswechsel in der Schulgutstraße 5 vom IV. in den III. Stock. |
1930 | Paul Patzsch bezeichnet sich nun als Kaufmann und Hersteller plastischen Zubehörs zu Zinnfiguren. |
Anzeigen im Standhaften Zinnsoldaten 1930, 1932 und 1933 | |
1935 | In den Dresdner Nachrichten vom 9. März 1935
erscheint der Bericht "Im Arsenal des "Zinnsoldaten-Krupp" Mit einem recht traurigen Ereignis fängt die Geschichte des "Zinnsoldaten-Krupp" an. Paul Patzsch - heute das Urbild eines deutschen Handwerkermeisters mit wallendem Bart, mächtiger Adlernase, von buschigen Brauen verdeckten, blauleuchtenden Augen - war in seinen jungen Jahren in Dresden Dachdecker. Eines Tages - es war tiefer, strenger Winter, wie wir ihn jetzt wieder erleben, und nicht nur die Straßen, sondern auch die Dächer waren rutschig und glatt -, stürzte er sieben Meter tief ab, und brach sich die Kinnlade und das linke Handgelenk. In der Wohnung in der Schulgutstraße, die er heute noch inne hat, lag er ein paar Wochen. Aber so, daß er ständig seinem alten Beruf nachgehen konnte, wurde er nie wiederhergestellt. Er versuchte es noch einmal, doch bald sattelte er um. Liebhaber von Zinnfiguren war er immer gewesen, angeregt vom Vater her, der lange Jahre Soldat war, und begeistert hatte auch er selbst seine Zeit gedient. Immerhin: Liebhaberei und Broterwerb sind zwei grundverschiedene Dinge. Und er hatte keinen Lehrherrn in seinem selbsterwählten, selbstgeschaffenen Berufe. Er kannte nur seine Begeisterung. So hat er's gewagt. * "Paul Patzsch, Hausmeister, III. Stockwerk, rechts", steht unten am Treppenaufgang auf der Wohnungstafel verzeichnet, und "Herstellung plastischen Zubehörs zu Zinnsoldaten in kunstgewerblicher Ausführung" nennt sich die "Firma", die einzig und allein von dem biederen Rauschebart getragen wird. Nur seine Frau ist ihm Gehilfin. Sie gießt die Figuren. Aber all die mühselige Arbeit, die davor und dahinter liegt, von der ersten Aufzeichnung bis zum letzten Pinselstrich, vollbringt Vater Patzsch selbst. Jedes Stück, das seine kleine Werkstatt verläßt, ist reine Handarbeit. Das ist es, was seine Figuren von allen den anderen unterscheidet, die in einer der immerhin zahlreichen Fabriken hergestellt werden. Kein Stück aus seiner Meisterhand gleicht völlig dem anderen. Wie auch im Leben kein Mensch gänzlich dem anderen gleicht. Die Gesichtszüge sind verschieden, die Haltung ist verändert, der Anzug, die Uniform je von Mode, Dienstgrad, Gattungszugehörigkeit bestimmt. Freilich - bei den Uniformen wie bei Maschinen und Geräten kommt es darauf an, sie - sollen sie lebenswahr erscheinen - bis ins Tüpfelchen genau der Wirklichkeit nachzubilden. Und in der Herstellung derartigen "Zubehörs", in der Anfertigung besonders von Wagen und Waffen aller Art en miniature ist Vater Patzsch Spezialist. * Das Arsenal des "Zinnsoldaten-Krupp" befindet sich in der Wohnstube. In einer sauber getischlerten Vitrine, deren Rückwand farbige Kulissen mit Bäumen und Wiesen, Wolken und blauem Himmel zieren, und in einem an den Instrumentenschrank eines Arztes erinnernden, metallgefaßten Glasschrank. Eine Welt tut sich auf! Eine Welt im kleinen, aber eine Welt des Großen der deutschen Geschichte bis in ihre jüngsten Tage. Da fährt August der Starke in seine Hofkutsche vor, da sitzt der "Alte Fritz" in seinem schlichten Gespann, da rollt die liebe Postkutsche aus vergangenen Biedermeiertagen einher. Vor allem aber die Tradition deutschen Soldatentums, die Vater Patzsch so brennend im Herzen trägt, wird lebendig. Von den Mörsern der Landsknechte bis zu den Motorradbatterien des Weltkrieges ist nahezu jede Waffe im Spielzeugformat vorhanden. Aber diese kleinen Dinge sind keine bloße Spielerei. Sie sind kulturhistorische Dokumente, die auf haargenauen - man darf es ruhig aussprechen - wissenschaftlichen Studien beruhen. Jede Einzelheit stimmt. Und sie sind nicht nur zum Anschauen da, sondern sie lassen auch jede Bewegung einzelner Teile, soweit sie wesentlich ist, durch ihre unglaubliche Präzision zu. Die Räder drehen sich, die Geschützrohre lassen sich richten, die Lafetten, wie das bei den modernen Geschützen möglich ist, spreizen, jede Tür an jedem Wagen ist nicht nur aufgemalt, sondern zu öffnen, und sei es die zur Heizung bei der "Gulaschkanone" und der Deckel zum Kessel. Auch im Maßstab sind die Figuren und Geräte untereinander völlig gerecht. Als Einheit wählte der "Zinnsoldaten-Krupp" 3 Zentimeter = 1,58 Meter. Ebenso naturgetreu ist selbstverständlich die Farbe. Alle Tonschattierungen der Uniformen des Friedensheeres weiß Vater Patzsch zu berücksichtigen. Jede Litze, jeder Knopf sind dort zu finden, wo sie hingehören - und handle es sich auch nur um einen Pinselstrich von der Länge eines Millimeterbruchteiles. Vater Patzsch hat scharfe Augen. Er ist guter Sechziger, aber er arbeitet noch ohne Brille. * "und das ist meine Werkstatt!" sagt der Zinnsoldaten-Krupp und weist auf einen schmalen Tisch, der in der Fensterecke der Küche seiner Wohnung steht. Blätter von feinem Blech, kleine und große Zangen, ein Schöpflöffel für das flüssige Blei, ein Lötkolben, ein paar Farbbüchsen, eine Zeichnung und viele, viele Gußformen aus Schiefer, Messing und Gips liegen darauf. Ueber all dem bunten Wirrwarr hängt ein Vogelbauer, und ein Stieglitz zwitschert drinnen. Auch das ist eine Welt im kleinen, eine Welt für sich. Aber Vater Patzsch ist nichtsdestoweniger in der großen Welt da draußen wohlbekannt. Bei den Sammlern aus Liebhaberei (meist früheren Offizieren) und bei denen, die seine Figuren und Geräte für sehr ernsthafte Zwecke benutzen: bei den Soldaten unserer heutigen Wehrmacht, für die er - und zwar nicht nur an Dresdner Regimenter - die Einrichtung der "Sandkästen" liefert. Ein früherer Hauptmann der Artillerie gab ihm kürzlich den Auftrag, dessen Batterie in Kampfstellung mitsamt der Bedienungsmannschaft nachzubilden, ihn selbst aber porträtähnlich in dem Augenblick zu zeigen, wie er eben den Befehl gibt: "Erstes Geschütz Feuer!" - Ein anderer Liebhabersammler hatte eine ähnliche Gruppe zusammengestellt, photographiert und das Bild einem im Ausland wohnenden Freund zugeschickt. An der Grenze wurde der Brief kontrolliert und der Absender einem hochnotpeinlichen Verhör unterzogen. Man hatte Spionage vermutet! ... so naturgetreu waren diese Modelle gewesen. * Früher spielte jeder echte Junge mit Zinnsoldaten. Heute sind sie der Zeitvertreib und die Liebhaberei einiger weniger älterer Herren, das Studienobjekt historischer Museen, das Lehrmittel junger Soldaten geworden. Der "standhafte Zinnsoldat" ist mit dieser Entwicklung nicht ganz einverstanden. Er will sich das ganze Volk zurückerobern. Und die neue Zeit kommt ihm entgegen. Wir berichteten erst kürzlich von einer Zinnfigurenausstellung in Berlin, die an Hand großartiger Dioramen Ausschnitte aus der jüngsten deutschen Geschichte zeigte. Ihr Material, zusammengestellt von den Brüdern Helwing aus Halberstadt, lieferte fas ausnahmslos der Dresdner "Zinnsoldaten-Krupp". Er zeigte auch auf der letzten Dresdner Jahresschau im Auftrage der Reichsbahn eine ganze Reihe kleiner Wagenmodelle, die die Entwicklung des Verkehrs veranschaulichten. Man sieht, das Arsenal auf der Schulgutstraße rüstet auf. Drum: Im Gleichschritt, Marsch, kleiner Zinnsoldat! RoSch." |
Paul Patzsch an seinem Werktisch (Foto privat Wolfgang Hering) | |
1945 | In der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 stirbt Paul Patzsch beim Luftangriff auf Dresden; er weigert sich die Wohnung zu verlassen und will bei seinen Figuren bleiben. |
1954 | Seine Witwe Marie Luise Patzsch, geb. Hempel stirbt am 8. Dezember 1954 in Radebeul. |
Beispiele von Fahrzeugen, Geschützen, Kutsche | |
Quellen: ancestry: Geburts-, Tauf-, Heirats- und Sterberegister Hempel und Patzsch Dresdner Nachrichten vom 9. März 1935 (Kopie privat) John G. Garratt; The World Encyclopedia Of Model Soldiers, The Overlook Press, New York 1981 Ulf Leinweber: Die kleine Figur - Geschichte in Masse und Zinn, Staatliche Kunstsammlungen Kassel, 1985 Heinz Schenzle: Sigel-Bestimmungsbuch, Freunde der Plassenburg e.V. Kulmbach, 1987 Krannich/Vogel: Sächsische Zinnminiaturen, Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie, Leipzig - Stuttgart 1994 Dr. Egon Krannich: Überall ist Wunderland - Sächsische Zinnminiaturen Band II, Edition Krannich 2009 ancestry: div. Standesamt-Einträge Ich danke Wolfgang Hering sehr herzlich für die Überlassung von Fotos, dem Artikel aus den Dresdner Nachrichten und für hilfreiche Hinweise! |
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