J. Haffner's Nachf. - Aufsatz aus den Nürnberger Ausstellungs-Berichten 1906 Nr. 48 vom 9. Oktober 1906 im "Offiziellen Katalog der Bayerischen Landesausstellung in Nürnberg 1906"
   
   
 

Die Zinnfiguren der Firma J. Haffner's Nachfolger, Fabrik ff. Zinnfiguren, Nürnberg

Nürnberger Spielsachen! Das Wort hat in der ganzen Welt einen guten Klang. Die Herzen der Kinder schlagen höher wo es genannt wird und in uns Großen weckt es die Sehnsucht nach den sorglosen Tagen unserer Jugend.

 

Noch ehe wir wußten, was Nürnberg ist, wußten wir ganz genau, was wir uns unter Nürnberger Spielzeug vorzustellen hatten.

Die Hauptrolle spielten dabei die Blei- und Zinnsoldaten, die, fein verpackt, in ihren Holzschachteln lagen, in vielen Schichten übereinander, so daß, wenn alle herausspaziert waren, ein ganzes Regiment vor uns stand.

 

Und sie wissen sich zu behaupten, diese Zinnsoldaten. Sie sind standhaft wie der in Andersens Märchen.

 

So vieles ist anders geworden im Spielzeug das wir unseren Kindern geben, denn bis in dieses Gebiet hinein ist heute der Kampf gedrungen, der in der Kunst und im Kunsthandwerk mit der Parole hie alt, hie modern, geführt wird. Manches einst beliebte Spielzeug ist durch besseres verdrängt, um vielleicht später wieder zu Ehren gebracht zu werden, aber von ihren Zinnsoldaten haben die Kinder nicht gelassen. Bei ihrem Anblick denkt und fühlt die junge Generation gerade so wie die alte.

 

Freilich sind die Zinnfiguren von den großen technischen und künstlerischen Fortschritten der Zeit nicht unberührt geblieben, vielmehr werden heute auf diesem Gebiete Dinge gemacht, von denen wir uns in unserer Jugend nicht haben träumen lassen, und nicht nur dünn und flach werden die Figuren heute hergestellt, sondern auch in voller körperlicher Rundung und so lebendig, daß sich das ganze ausnimmt wie das Riesenspielzeug in dem bekannten Gedichte.

 

Und noch heute wie vor Zeiten ist Nürnberg die Hauptbrutstätte dieser kleinen Welt und es marschieren von hier aus alljährlich Millionen von kriegstüchtigen Regimentern in die Welt hinaus.

 

Allein die hier in Frage stehende Ausstellung verdient die höchste Anerkennung und Bewunderung. Kinder und Erwachsene haben ihre Freude daran und das größte Interesse bereitet sie unseren Soldaten.

Besonders gilt das von dem historischen Teil dieser Ausstellung, der in großen, vollrunden Figuren die bayerische Armee in ihrer Uniformierung und Ausrüstung vom Jahre 1806 bis zur Neuzeit (1906) darstellt:

 

Da sehen wir mit ihren goldschimmernden Panzern die Pauker, Trompeter und die einzelnen Eskadrons der Garde du Corps zu Pferde von 1814 - 1824, die stahlgepanzerten Kürassiere, denen die Sappeurs (Feldzimmerleute) vom Jahre 1806 folgen, markige Gestalten mit wallenden Bärten.

   
 
   
 

Ihnen schließen sich die Grenadiere des Garderegiments 1814 an, die gekennzeichnet sind durch ihre hohen Bärenmützen, voran der große Tambour-Major mit den rotleuchtenden Tambours und Pfeiffern.

 

Nun kommen auf stolzen Rössern mit reichbestickten Uniformen und Schabracken die bayerischen Heerführer aus der Zeit von 1806 bis 1826, allen voran König Max.

   
 
   
 

Ein von Trompetern vom Jahre 1814 geführtes Ulanenkorps (1814 - 1822) und weiße Dragoner mit hohen Kasketts folgen.

Hieran schließen sich die jugendlichen Tambours der Linien-Infanterie an und leiten den strammen Aufmarsch der einzelnen Linien-Regimenter (1807 - 1834) ein.

 

Bezeichnend für die nun folgende leichte Infanterie (1806 - 1808) ist die Gewehrhaltung "Gewehr im Arm".

 

Husaren (1813 - 1816) und Chevaulegers, von denen die des aus Freiwilligen gebildeten siebten Regiments anstelle des Kasketts den Tschako mit Busch tragen und Jäger und Hornisten vom Jahre 1835 beschließen die alten Gruppen, deren Uniform zunächst französischen und dann österreichischen Einfluß verraten, der in der Folgezeit mehr und mehr durch preußischen Einfluß verdrängt wurde.

 

Schon vertrauter nehmen sich die Chevaulegers von 1835 - 1870 mit dem Raupenhelm und die feldmarschmäßig mit Mütze ausrückende Infanterie vom Jahre 1866 aus.

 

Mit König Max II. an der Spitze sehen wir die Generalität, darunter Prinz Luitpold (nun Prinzregent) als Inhaber des 1. Artillerie-Regiments 1839.

 

Noch zur alten Zeit gehören die Feldgeschütz-, Pulver- und Munitionswagen mit den dunkelblauen Artilleristen und grauen Fuhrwesenssoldaten. Sie stammen aus dem Jahre 1806. Kurios nehmen sich die auf dem als Wurstwagen bezeichneten Munitionswagen reitenden Artilleristen aus, die sich, um nicht herunterzufallen, an den Rockschößen halten.

   
 
   
 

Das Kriegsjahr 1870/71 bezeichnet neue Wendepunkte in der Uniformierung des bayerischen Heeres, das, von einem großen gemeinsamen Gedanken getragen, mit seinen deutschen Waffenbrüdern in Feld zog.

Siegreich kehren die Krieger in die Heimat zurück, die Helme und Gewehre mit frischem Eichenlaub geschmückt; man meint beim Anblick dieser vom Musikkorps des 6. Infanterie-Regiments geführten Truppen die Klänge des Pariser Einzugsmarsches zu vernehmen.

Die große Zeit wird in uns lebendig. Sehen wir doch inmitten der tapferen Krieger ihren unvergesslichen Führer Friedrich Wilhelm Kronprinz von Preußen, König Ludwig II. und den von einem Kürassieradjutanten begleitenden General von der Tann.

 

Die nachfolgende Gruppe zeigt Kürassiere vom Jahre 1870 und Jäger desselben Jahres mit dem letzten Raupenhelm, sowie solche vom Jahre 1906 mit dem neuen Tschako. Ebenso sind hier Ulanen aus diesen beiden Jahren einander gegenübergestellt.

 

Nun erscheinen im Paradeanzug das 14. und in feldmarschmäßiger Ausrüstung das Leib-Regiment.

Ferner finden wir noch Jäger zu Pferde (Meldereiter) vom Jahre 1900, Chevaulegers des 6. Regiments vom Jahre 1906 und das neue und letzte Chevaulegers-Regiment, das aus den Meldereitern hervorgegangen ist.

 

Auch der allerhöchste Heerführer Sr. Majestät Kaiser Wilhelm II. fehlt nicht und mit ihm finden wir die Kaiserin und unseren Prinzregenten.

 

Schon diese trockene Aufzählung läßt erkennen, mit welcher Liebe und Sorgfalt der Gegenstand behandelt ist.

 

In der Tat ist das Ganze unter Zugrundelegung amtlicher Quellen und der besten vorhandenen Werke wissenschaftlich fundamentiert, und, wie die Entwürfe zu den einzelnen Figuren von Künstlern geschaffen wurden, so lag auch die Ausführung in künstlerischen Händen.

Jede Figur ist ein kleines Meisterwerk. Vorzüglich ist die Modellierung und geschmackvoll die naturwahre Bemalung. Die Bewegungen, insbesondere auch der Pferde, sind wundervoll beobachtet und zur Erscheinung gebracht, ausdrucksvoll sind die Köpfe und von bewunderungswürdiger Korrektheit die Bildung der Gliedmaßen. Bis auf die letzte Einzelheit erstreckte sich die Liebe und Sorgfalt der Meister. So entstanden kleine Miniaturplastiken, die beanspruchen können, für sich als kleine Schmuckstücke behandelt zu werden.

 

Sie sollen auch nicht den Kindern als Spielzeug dienen - dazu ist auch die Herstellung viel zu kostspielig - sondern sie sind in erster Linie dazu bestimmt, in militärischen Kreisen als wertvolles Instruktionsmaterial zu dienen. In jedem Armeemuseum sind sie am Platz zur Ergänzung und Belebung der Museumssammlung als politisches Anschauungsmittel, das eindringlicher wirkt als jede gezeichnete und gemalte Darstellung.

 

Zu dieser das Auge zunächst gefangennehmenden wertvollen großfigurigen Gruppe kommt nun das eigentliche Spielzeug, das auch an Vortrefflichkeit nicht zu wünschen übrig läßt.

 

Das sehen wir an einer vollständigen militärischen Übung in einer reich entwickelten Landschaft mit dem beobachtenden Generalstab in der Höhe und den geschickt verteilten Truppenteilen. Nichts ist vergessen, weder die Telegraphenabteilung und die Brieftaubenpost, noch die Kriegshundeabteilung.

Fleißig sehen wir die Pioniere bei der Arbeit, eine Schiffsbrücke anzulegen, während daneben das Feldlager sich ausbreitet mit Pferdemusterung, Gewehrvisitation, Löhnungsappell, den beim Klange der Militärkapelle dinierenden Offiziere und den ruhenden oder allerlei Kurzweil treibenden Soldaten, alles mit größter Lebendigkeit dargestellt und fein in der Gußarbeit und Bemalung.

 

Zu diesem militätischen Schauspiel kommen oben jenseits des Flußes eine Försterei, eine von einem Waldbache getriebenen Mühle, eine herrschaftliche Villa und das Wirtshaus zum "Weißen Rößl", alles mit Figuren auf das phantasievollste belebt. Es seien davon nur die Lawn-Tennisspieler, Radfahrer und Kegelspieler genannt.

Es folgt ein wohleingerichteter Bauernhof, wo gerade ein Pferdehandel stattfindet, alles so recht dazu angetan, unsere Kleinen nicht nur zu unterhalten, sondern zugleich auch spielend zu belehren.

 

Um den Ausstellungsbesuchern nicht nur von der Güte ihrer Arbeiten, sondern zugleich auch von der Reichhaltigkeit ihres Lagers eine Vorstellung zu geben, hat die Firma eine Reihe von Tableaus zur Ausstellung gebracht, auf denen außer verschiedenen denkwürdigen Schlachten wie Mars la Tour, Sedan und Gravelotte und einem originellen Seebad so interessante Dinge zu sehen sind wie eine Löwenjagd, eine Beduinenkarawane, eine Büffeljagd, eine Bärenhatz, Indianerkämpfe und noch vieles andere, woran unsere Kinder die selbe Freude haben, wie wir sie an solchen Dingen hatten, als wir jung waren.

   
   
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